Frischer geht´s nicht
„Frisch“ ist ein ungeschützter Begriff. Was hierzulande in so manchem Supermarkt als frischer Fisch verkauft wird, kommt meist nicht auf direktem Weg vom Fischer an Nord- oder Ostsee. Kauft man aber seinen Fisch vor Ort, von dem Fischer, der ihn erst kurz zuvor angelandet hat, dann ist die Frische garantiert. Um ihren Kunden immer die frischeste Ware anbieten zu können, haben sich einige Fischer an Nord- und Ostsee zusammengetan. Auf der Internetseite www.fischvomkutter.de stellen sie ihre Anlandungen ein und jeder Kunde weiß, wann er wo Fisch direkt an der Kaimauer bekommt.
Wenn um 09:00 Uhr die ersten Kunden in Schleswig zum Hafen kommen, ist Familie Ross schon seit Stunden auf den Beinen. Früh morgens sind der Vater Jörn Ross und die Söhne Christian und Niels schon herausgefahren, um ihren Fang einzuholen. Einige Reusen und Stellnetze stehen in der Schlei, einen Teil des Fangs fischen sie auch draußen auf der Ostsee. Zwischendurch hat Jörn Ross noch schnell sein Mobiltelefon genommen und den heutigen Fang eingetragen: „SCHLE 11 SCHLESWIG Stadthafen: Von 9 bis 11 Uhr verkaufe ich Schleifische der Saison am Hafen, solange der Vorrat reicht. Fischer Joern Ross“
Unter www.fischvomkutter.de kann nun jeder an seinem Rechner zu Hause oder unterwegs auf dem Mobiltelefon nachschauen, welchen Fisch man heute frisch bei ihnen kaufen kann. So umgeht die Fischerfamilie die Zwischenhändler und vor allem die langen Transportwege für ihren frisch gefangenen Fisch.
Durch EU-Mittel gefördert
Das Projekt "Fisch vom Kutter" wurde 2009 im Arbeitskreis Fischerei der AktivRegion Ostseeküste erarbeitet. Ziel war es, frischen Fisch regional, saisonal und fair zu vermarkten. Gleichzeitig sollten die kleinen handwerklich arbeitenden Fischer wirtschaftlich gestärkt werden. Zurzeit beteiligen sich 22 Fischereibetriebe an Nord- und vor allem der Ostsee an dem Projekt. 2011 wurde das Projekt mit dem Sonderpreis des Schleswig-Holsteinischen Nachhaltigkeitspreises ausgezeichnet.
Auf der Internetseite www.fischvomkutter.de sind alle Anlandeorte und alle Fischereibetriebe aufgeführt. Die Fischer geben morgens ihren aktuellen Fang dort ein und machen damit diese Informationen für jeden interessierten Kunden zugänglich. Vom Dorsch bis zur Nordseekrabbe ist alles dabei, was man in hier in den schleswig-holsteinischen Meeren fangen kann.
Der Verkauf findet dann meist am Kai oder auf dem jeweiligen Kutter statt. Direkter kann eine Ware nicht vom Erzeuger zum Endverbraucher gelangen.
Frisch geschlachtet
Am Kai in Schleswig hat sich bei Schneeregen um 09:00 Uhr morgens bereits eine Schlange der wartenden Kunden gebildet. Sabine Ross und ihr Sohn Niels verkaufen hier den frischen Fisch. „Haben sie noch Meerforellen?“, ist die häufigste Frage, die die Kunden heute stellen. Niels hat einige lebende Exemplare in dem kleinen Hälterbecken an Bord seines Bootes. Er hält für die Kundin zwei Exemplare zur Auswahl bereit und schlachtet erst nach Bedarf direkt auf dem Boot. Doch sehr schnell übersteigt die Nachfrage das Angebot der mitgebrachten Fische, sodass Vater Jörn Ross noch einmal zu den Netzkäfigen rausfährt, in denen sie ihren Fang bis zum Verkauf halten. Hier holt er lebende Meerforellen für seine Kunden und bringt sie zu Hafenkante. Sabine Ross koordiniert den Verkauf auf der Kaimauer mit gegebenem Abstand. Viele Kunden bringen ihre eigenen Taschen oder Eimer mit. Das freut Sabine Ross sehr: „Dann sparen wir auch die Verpackung.“
Kunden schätzen die direkte Vermarktung
Studenten der Kieler Uni haben das Projekt unter die Lupe genommen. Sie fanden heraus, dass es den meisten Kunden gar nicht so sehr auf den Preis ankommt. Sie kommen zum Kutter, um den frischesten Fisch zu kaufen und um ihre lokalen Fischer zu unterstützen. Die meisten Kunden kommen aus dem Umland und nutzen die Information im Netz, um zu sehen, was die Fischer heute in ihrem Netz hatten. So bereichern sie ihren Speiseplan mit frischen Produkten aus der eigenen Region. Die Webseite ist sowohl für die Kunden als auch für die Fischer ein Gewinn. Sie wurde schon zum Vorbild für weitere Direktvermarktungsportale in Europa.
Einige hundert Meter die Strandpromenade weiter an der Schleswiger Stadthalle hat auch Fischer Jörg Nadler angelegt. Er hat heute vor allem Aale im Angebot aber auch Strufbutt, der auch Flunder genannt wird, und Barsche können die Kunden hier kaufen. „Ich bin froh, dass wir diese Fischer hier in Schleswig haben. Besseren Fisch kann gar nicht bekommen“, freut sich eine Kundin, sich hier für ihr Mittagessen einkauft. Gerade zurzeit, wo die lokalen Restaurants als Abnehmer des Fisches zu einem großen Teil wegfallen, freuen sich auch die Fischer über jeden Kunden, der zu Ihnen an die Kaimauer kommt. Und dank www.fischvomkutter.de finden auch immer mehr diesen Weg.
WIR-FISCHEN.SH war vor Ort: Fotoreportage